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Gemeinsame Erfolge: Eberhard Müller im Interview

Hamburg

Jürgen Neumann und Eberhard Müller waren sich trotz ihrer Verschiedenheit in den wesentlichen Punkten immer einig. Ihre Unterschiedlichkeit hat sich in der langjährigen Zusammenarbeit als äußerst konstruktiv erwiesen. Eberhard Müller spricht im Interview über richtungsweisende unternehmerische Entscheidungen, wichtige Erfolgsfaktoren und über neue Perspektiven.

aus dem VPLT Magazin 2/2018 | Text: Caroline Momma

 

Die beiden Unternehmensgründer, Jürgen Neumann und Eberhard Müller, haben im April 2018 die Unternehmensgruppe als aktiv Tätige verlassen. Gemeinsam mit ihren MitarbeiterInnen haben sie N&M in den zurückliegenden 37 Jahren zu einem der führenden deutschen Unternehmen der Veranstaltungsbranche gemacht.

Als sie das Unternehmen 1981 in Düsseldorf gründeten, steckte die Veranstaltungstechnik-Branche in Deutschland noch in den Kinderschuhen, und beide hatten eigentlich andere berufliche Ziele: Eberhard Müller plante, nach Beendigung seines Studiums als Toningenieur beim Hörfunk zu arbeiten, und Jürgen Neumann wollte Studio-Arbeit in München machen: „Es war die Zeit, als die Elektriker, die mit 100-Volt-Zeilen Beschallungen gemacht hatten, von richtigen PAs aus England abgelöst wurden. Wir wussten immer genau, wer in Deutschland wie viele Endstufen besaß, und keiner konnte die größeren Produktionen alleine machen.“
Als Eberhard Müller zeitweise als freier Mitarbeiter beim WDR beschäftigt war, hatte er die Idee der Unternehmensgründung: „Der öffentlich-rechtliche WDR konnte uns nicht als Privatpersonen, sondern nur ein angemeldetes Unternehmen beauftragen – das war der Startschuss für das eigene Unternehmen.“

Herr Müller, wie würden Sie die Unternehmenskultur heute bei N&M beschreiben?
Unser Credo ist: Wir liefern stets qualitativ hochwertige Arbeit. Das hat sich über alle Jahre und Krisen hinweg bewährt – auch und gerade weil wir uns nicht am Preisdumping beteiligen. Qualität hat ihren Preis. Damit ist es uns nämlich möglich, ein weiteres Standbein unserer Kultur zu festigen: Wir wollen der fairste Arbeit- und Auftraggeber sein. Dahinter steht meine Theorie vom „positiven Egoismus“: Behandle die Leute gut – dann tun sie mehr, und das sogar gerne. Das bewahrheitet sich im Alltäglichen. Jemanden zu loben kostet eigentlich nichts, man muss es lediglich tun und es tatsächlich so meinen.
Außergewöhnlich bei N&M ist die Form der Mitbestimmung. Unsere ersten Mitarbeiter waren Kommilitonen, und wir agierten daher gemeinsam und immer auf Augenhöhe: Es gab keinen Chef hier und die Mitarbeiter dort. Wir haben bereits damals alles gemeinsam diskutiert und anschließend beschlossen. Später haben wir die Mitarbeiter-Beteiligung weiter ausgebaut. Seither gibt es bei uns über 40 stimmberechtigte Gesellschafter. Als Gründer haben wir uns so weit zurückgenommen, dass wirklich im Team entschieden wird – selbst, wenn wir auch überstimmt werden konnten.

Was zeichnet N&M als Unternehmen aus?
Die Art der Mitbestimmung ist schon einmalig, das gibt es in Unternehmen sonst kaum – wir wurden dafür anfangs sehr belächelt. Zweitens: Wir haben gute, kompetente Mitarbeiter: Sie verfügen über ein langjähriges und sehr breitgefächertes Know-how – darauf blicke ich mit einer Mischung aus Stolz und Staunen.

Was glauben Sie, wie wird die Arbeitswelt der Zukunft aussehen?
Es gibt die Theorie, dass in Zukunft alles automatisiert ist und unsere Arbeitsplätze durch technische Lösungen ersetzt werden. Mit Blick auf die gesamte Menschheit wage ich das jedoch zu bezweifeln. Nicht zuletzt ist es das fachliche Know-how, die Kompetenz unserer Techniker und Projektleiter, die N&M ausmachen. Deshalb investieren wir viel in die Aus- und Weiterbildung unserer Kollegen – von Beginn an: Aktuell bilden wir an allen Niederlassungsstandorten rund 90 junge Frauen und Männer in verschiedensten Ausbildungsberufen aus. Wenn sie sich bewähren – das ist natürlich das Ziel – übernehmen wir sie nach ihrer Ausbildungszeit. Denn der Fachkräftemangel hat auch unsere Branche voll erfasst. Durch unser Wachstum haben wir seit über zwei Jahren kontinuierlich rund 70 vakante Stellen in verschiedensten Berufen zu besetzen.

Welche Rolle spielt der Gewinn?
Gewinn ist das Ziel! Ich sage immer, Umsatz interessiert mich nicht. Ein Unternehmen hat das Ziel, Gewinne zu erzielen. Insofern ist dies die Größe, die zählt.

Welche Rolle spielt Wachstum?
Manchmal tun sich Chancen auf, und wenn man diese wahrnimmt, entsteht daraus ein Wachstum. Seit der Finanzkrise ist es ja in der Event-Branche wirtschaftlich vor allem bergauf gegangen – und das merken wir als Dienstleister natürlich ganz besonders. Allerdings muss man auch immer im Blick haben, dass zu schnelles Wachstum für ein Unternehmen auch gefährlich sein kann.

Wie waren damals die Bedingungen, unter denen Sie gemeinsam mit Jürgen Neumann 1981 das Unternehmen gründeten? Wie sah die Branche aus?
Es gab wenig Mitbewerber, unter anderem Amptown in Hamburg, die recht bekannt waren und aus dem Musikgeschäft heraus entstanden sind, weil die Gründer englische Verstärker eingekauft und in Deutschland verkauft haben, Crystal-Sound in Baden-Baden. Das war alles überschaubar. Jeder wusste, was die anderen an Equipment besaßen, weil man sich ständig gegenseitig Equipment vermieten musste. In Düsseldorf gab es außer uns noch eine weitere Firma, die hieß Ton und Licht. Weil wir so viel hin und her vermietet haben, haben wir ihnen einen Schlüssel zu unserem Lager gegeben. Das war eine sehr gute, vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Auf der anderen Seite war und ist es aber auch ein ziemlich harter Wettbewerb. Ein Problem ist, dass viele nicht rechnen können, was in Kombination mit der Begeisterung für Equipment verheerend sein kann. Trotzdem gibt es relativ wenige Unternehmen, die komplett vom Markt verschwinden. Scheinbar kommen sie mit ganz kleiner Marge Zurecht. Viele drücken die Preise über die Personalkosten, was ich sehr schlecht finde. Das passiert häufig im Tourbereich, aber zunehmend auch bei Industrieproduktionen. Menschen und deren Auskommen spielen da scheinbar weniger eine Rolle.

Hätten sie sich damals vorstellen könne, dass Neumann & Müller so groß und erfolgreich werden würde?
Im Leben nicht. Das war unvorstellbar. Wenn ich einen Sattelzug gesehen habe, dachte ich: Wenn wir so etwas doch auch mal hätten! Oder später, wenn ich an einem Rampenlager von einer Spedition vorbeikamen: Die haben 18 Tore! Das schaffen wir nie! Und jetzt haben wir das alles. Das ist schon gewaltig.

Was sind die Faktoren, die dazu geführt oder es begünstigt haben, dass sich Neumann & Müller so erfolgreich entwickelt?
Generell hat sich der Veranstaltungsbereich entwickelt und auch Messen haben sich verändert. Inzwischen sind Messestände totale Inszenierungen. Das ist mit Sicherheit ein wichtiger Faktor für die Entwicklung des Unternehmens gewesen – dass sich die Branche an sich verändert hat und gewachsen ist.

Was waren im Rückblick die Entscheidungen, Meilensteine, Entwicklungen, die zum Erfolg beigetragen haben?
Angefangen haben wir nur mit Tontechnik (Beschallungen). Schon 1985 haben wir die Entscheidung getroffen, dass wir uns verbreiten. Wir haben mehrere Niederlassungen eröffnet. Zunächst Düsseldorf, dann München, und später bin ich nach Stuttgart gegangen und habe von dort aus die Niederlassung in Dresden aufgebaut. Das war direkt 1989 nach der Wende. Ich hatte für Tele 5 eine Ü-Wagen-Produktion in Mödlareuth, einem kleinen Ort, der durch die Mauer geteilt war. Auf der einen Seite war die Kirche, und der Friedhof auf der anderen. Dort wurde eine Wiedervereinigungssendung gemacht. Die Stimmung war sehr emotional und ich habe mich entschieden, dass wir auch in die neuen Bundesländer gehen und dort eine Niederlassung aufmachen.
Zu diesem Zeitpunkt war das eigentlich vollkommen naiv – 1989 hatte sich dort praktisch alles aufgelöst und ans Geldverdienen war realistisch gesehen gar nicht zu denken. Trotzdem haben wir das gemacht, und auch dies hat sich bewährt. Wir sind bis heute diejenigen, die dort am längsten und am etabliertesten sind, und haben Standorte in Dresden, Leipzig, Erfurt und Berlin. Außerdem haben wir uns nicht nur regional breit aufgestellt, sondern viele weitere Bereiche neben der Tontechnik aufgebaut. Licht haben wir relativ früh dazubekommen, später den Videobereich, dann Rigging. Früher hatten wir ein paar Handkettenzüge und ein paar Schlaufen, heute sind wir der größte Motorenvermieter in ganz Deutschland: Wir haben ca. 1.800 Elektromotorzüge und über 60 km Traversen. Daneben haben wir IT-Tools entwickelt und jetzt gibt es seit circa sechs Jahren die Event-IT.

Wie hat die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und Jürgen Neumann funktioniert?
Wir sind sehr unterschiedlich, und das hat sich optimal ergänzt. Trotz dieser Unterschiedlichkeit waren wir uns in den wesentlichen Punkten immer einig. Mit viel Vertrauen und Achtung voreinander hat das sehr gut funktioniert. Erstaunlicherweise mussten wir nie besonders viel reden. Jürgen Neumann ist ein totaler Querdenker, wenn ich eine schnelle Lösung hatte und entschieden habe, dass wir etwas auf eine bestimmte Weise machen, dann kam von seiner Seite ab und an ein Einwand. Das war im ersten Moment manchmal schwierig, aber wenn ich dann darüber nachgedachte, habe ich gemerkt: Er hat ja doch Recht! Das hat sich  immer als sehr konstruktiv erwiesen.

Gab es auch mal Konflikte zwischen Ihnen beiden?
Klar, wir hatten immer mal unterschiedliche Meinungen – aber letztendlich ist der Respekt voreinander immer so groß gewesen, dass da nichts Nennenswertes vorgefallen ist. Das erfordert, dass man bereit ist, sich auch mal zurückzunehmen  und zu erkennen, dass man unter Umständen viel mehr davon hat, als irgendeinen Einzelpunkt auf Biegen und Brechen durchzusetzen. Das trifft auf alle Situationen im Leben zu.

Sie haben eine Regelung entworfen, dass Sie und Jürgen Neumann die Geschäftsführung abgeben, wenn sie beide 61 sind?
Wir haben mal im Zuge der ganzen Mitbestimmungsdebatte in jungen Jahren beschlossen, dass man mit 60 aufhören sollte. Wir waren Mitte dreißig und sechzig erschien uns uralt und weit entfernt. 37 Jahre gab es für mich fast nur das Unternehmen. Jetzt besteht die Chance, nochmal etwas ganz anderes zu tun.

Wie haben sie Ihren Ausstieg aus dem Unternehmen vorbereitet?
Wir haben rechtzeitig angefangen, Nachfolger für den jeweiligen Bereich aufzubauen. Ich habe da ein gutes Gefühl, und natürlich wird sich etwas verändern. Der wesentliche Punkt, unser Spirit, die Menschen in den Vordergrund zu stellen, der ist da und der bleibt hoffentlich. Wir haben eine sehr gute Mannschaft, die das weiterführt. Außerdem sind wir noch Gesellschafter und haben die Möglichkeit, drei Personen in den Ältestenrat zu wählen. Ich habe mich wegen anderer Aufgaben ganz bewusst entschieden, diese Aufgabe nicht zu übernehmen, aber Jürgen Neumann macht das, darüber bin ich sehr froh.

Wie haben sie die Entscheidungsprozesse und Strukturen in Ihrem Unternehmen entwickelt?
Zu Beginn waren wir so wenige, dass wir alles per Handabstimmung entschieden haben. Als das Unternehmen dann größer wurde, wollten wir gezielt junge Personen mit einbinden und ihrer Meinung auch tatsächlich Gewicht geben, damit sie sich ernst genommen fühlen. Am Anfang hatten alle, die dabei waren, durch die Abstimmung per Handzeichen das gleiche Maß an Möglichkeit der Einflussnahme. Jürgen Neumann und ich haben also definitiv nie alle Entscheidungen alleine getroffen. Aber von Beginn an hatten wir beide jeweils 50 Prozent am Unternehmen, haben auch die Investments alleine getätigt, und die letzte Entscheidung lag bei uns. Ab dem Moment, an dem wir offiziell Gesellschaftsanteile ausgegeben haben, wurde das Verfahren von uns professionalisiert und auch die Regeln entsprechend angepasst. Diese Art der Entscheidungsfindung und Mitbestimmung ist äußerst erfolgreich, und die Gerechtigkeitsdiskussion hat bei uns eine lange Tradition – früher haben wir nächtelang diskutiert und dann optimiert. Jürgen Neumann hat dann über unfassbare ExcelTabellen und später über eine Datenbank das komplexe Abrechnungsprogramm entwickelt und so unser Verständnis von Gerechtigkeit auf die Bezahlung heruntergebrochen. Das ist noch heute die Schnittstelle für die professionellen Buchhaltungsprogramme, weil es so etwas nicht zu kaufen gibt.

Sind damit alle zufrieden?
Momentan ja, und falls das nicht mehr der Fall sein sollte, wird es wieder neu diskutiert. Leute wollen genau deswegen bei uns arbeiten: Weil es diesen unmittelbaren Bezug und die Mitbestimmung gibt – daraus wiederum entstehen tolle Teams.

Was ist das Geheimnis des Erfolges?
Es ist kein Geheimnis – der/die Einzelne muss sagen: „Das ist mit mein Laden.“ Außerdem konnten wir die Mitarbeiter sich entwickeln und machen lassen und bekamen dadurch die Möglichkeit, uns zurückzuziehen, um die Gesamtsteuerung zu machen und der Mannschaft, die vorne steht, den Rücken freizuhalten.

Was sind im Rückblick die schönsten Momente Ihres Arbeitslebens bei Neumann&Müller?
Am schönsten fand ich es immer auf Produktionen zu fahren, was ich ja leider schon sehr lange nicht mehr mache. Wenn die Crews zu Produktionen raus sind, wäre ich am liebsten mitgefahren. Ich bin immer ein wenig neidisch, wenn die Kollegen rausfahren – zum Beispiel gerade nach Dubai. Dort haben wir eine Auszeichnung als bester Arbeitgeber bekommen. Wir sind sehr stolz, weil wir dort schon lange eine Niederlassung haben. Mit den Teams gemeinsam einen Erfolg zu haben: Das ist es, was wirklich Spaß macht!
Nun habe ich eine neue Firma gegründet: USB Unternehmen Sanieren & Beraten. Das ist eine Unternehmensberatung auf Risikobasis. Ich gehe in Unternehmen und erstelle eine Erstanalyse mit einem Sanierungsziel. Dieses Ziel gilt es, in einem festgesetzten Zeitraum zu erreichen.  Wenn dieses Ziel erreicht ist, werde ich bezahlt, und wenn nicht, dann bekomme ich gar nichts. Also wieder das gleiche Spiel: Gleichschaltung der Interessen.